Die gestrige Nacht hat uns endgültig an unsere Grenzen gebracht. Es war, als hätten die Arbeiter beschlossen, uns bis zum Abflug noch einmal richtig zu „begleiten“. Erst tobte der Lärm bis ein Uhr morgens und kaum hatten wir ein Auge zugemacht, ging es um fünf Uhr schon wieder los. Die Geräusche klangen so, als würden sie direkt neben unserem Bett stehen – keine Wand, kein Abstand dazwischen. Wir lagen wach, genervt, erschöpft, und heute früh waren wir uns dann einig: die letzte Nacht in dieser Unterkunft verbringen wir woanders. Genug ist genug.
Der Schlafmangel hat inzwischen Spuren hinterlassen. Die letzten Nächte waren schon zäh, aber heute fühlte es sich an, als hätten wir Blei in den Knochen. Unseren üblichen Morgenlauf ließen wir aus – keine Chance, denn der Körper streikte.
Kosi machte sich stattdessen auf den Weg zum Supermarkt, um Eier zu besorgen, während ich mit müden Augen am Laptop nach Unterkünften suchte. Parallel überlegten wir, wie wir die letzten Tage vor unserem Abflug gestalten wollen. Unser Flug geht am 28. September um sechs Uhr morgens. Schon länger hatten wir beschlossen, von der Nacht 27. auf 28. kein Hotel mehr zu nehmen, sondern direkt zum Flughafen zu fahren. Ob das die beste Idee war, werden wir sehen – aber zumindest sparen wir uns so eine weitere Nacht hier. Und da man ohnehin gegen 3 Uhr morgens einchecken müsse, dachten wir uns, dass dies eine gute Idee sei.
Doch für die Nacht vom 26. auf den 27. wollte ich nicht mehr in dieser Unterkunft bleiben. Und siehe da: direkt nebenan entdeckte ich über Booking ein 5-Sterne-Hotel. Der Preis? Eigentlich 290 € pro Nacht. Aber dank meiner „super genius Rabatte“ gab es das Ganze plötzlich für 111 € inklusive Frühstück – für uns beide! Wir mussten nicht zweimal überlegen. Buchen, bestätigen, und plötzlich fiel eine Last von unseren Schultern. Endlich eine Nacht, in der wir wirklich schlafen können. Und als Bonus: Pool, Fitnessstudio – und vor allem (hoffentlich) Ruhe.
Aber zurück zu heute: Zum Frühstück machten wir uns Porridge, Avocado mit Ei und frisches Brot. Natürlich wie immer in Gesellschaft unserer drei Katzen, die inzwischen schon fest zu unserem Alltag gehören. Währenddessen kam die Reinigungsdame mit unserer Wäsche zurück. Sie war zwar frisch gewaschen, roch aber nach gar nichts. Immerhin besser als vorher – und wir nahmen es mit Humor. Kosi nutzte den Moment und schrieb dem Vermieter. Neun Nächte in Folge dieser Lärm – das sei unmöglich, so könne man nicht wohnen. Eine Antwort? Bis jetzt keine.
Nach dem Frühstück zog es uns ans Meer. Fast sieben Kilometer spazierten wir den Strand entlang, diesmal während der Ebbe. Der Blick aufs Meer war wie immer schön, doch unterwegs entdeckten wir Szenen, die uns nachdenklich machten. Ein Mann stand mit einem Presslufthammer mitten im Meer und zertrümmerte Steine. Wozu? Keine Ahnung. Aber es sah unfassbar anstrengend aus. Dann liefen uns viele Kinder entgegen, die uns Muscheln verkaufen wollten. Manche kaum größer als ein Rucksack. Und wie fast jeden Tag sahen wir auch wieder dieses eine Baby, das Sand aß. Seine Mutter gab es ihm wohl absichtlich – vielleicht, damit der Bauch voll ist, weil es nicht genug zu essen gibt. Ein Anblick, der schon zum Nachdenken anregt. Wir würden den Kindern so gerne helfen, ihnen etwas zu essen oder Geld geben. Doch hier gilt leider: Kinder sind nichts wert. Was auch immer wir geben würden, käme wohl nie bei ihnen an.
Auf dem Rückweg kehrten wir wieder in unser Stamm-Café ein. Dort setzte ich mich hin, bestellte meinen Café und nutzte die Gelegenheit für eine Generalprobe meiner Lesung. Kosi musste aufmerksam zuhören, obwohl er mittlerweile vermutlich selbst schon alles sprechen könnte. Er hörte trotzdem aufmerksam zu – ob freiwillig oder nicht, sei dahingestellt – aber er ist eindeutig mein treuester Zuhörer.
Während ich Kosi meine Lesung vortrug, wurde es plötzlich lebendig im Café. Eine brasilianische Reisegruppe stürmte herein, sicher zwanzig Leute auf einmal. Und so, wie sie auftauchten, tauchten fast zeitgleich auch die Massai auf. Es war, als hätten beide Gruppen nur aufeinander gewartet.
Innerhalb von Sekunden stand eine ganze Reihe Massai hinter der Absperrung – zehn, vielleicht fünfzehn Männer in ihren traditionellen Gewändern. Auf der anderen Seite bildete sich eine Gruppe aus sieben bis zehn Brasilianerinnen und Brasilianern, die alle gleichzeitig etwas kaufen wollten. Ein unglaublicher Anblick: Farben, Stimmen, Gesten, überall reges Treiben. Und sehr sehr laut.
Zwanzig Minuten lang hörte das Quatschen und Überbieten nicht auf. Manche Touristen kamen zurück, die Arme voller Tücher – zehn Stück auf einmal, teilweise noch mehr. Wir sahen uns nur an, schüttelten den Kopf und fragten uns, wie das möglich ist. Diese Energie, dieser Kaufrausch, das war fast schon ein Schauspiel für sich. Und vor allem: Warum?
Als es dann immer voller und lauter wurde, packten wir unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Rückweg. Wir spazierten durch die kleine Innenstadt von Paje, vorbei an den üblichen bunten Ständen, staubigen Straßen und spielenden Kindern, zurück zu unserer Unterkunft. Dort wurde gekocht - unser tägliches Essen und wir gönnten uns endlich etwas Ruhe am Nachmittag.
Gegen Abend stand noch ein Abstecher ins Fitnessstudio auf dem Plan. Ein bisschen Bewegung tat gut, vor allem nach so vielen Tagen mit Müdigkeit und fehlendem Rhythmus. Und um 19:30 Uhr war es dann soweit: meine erste Video-Lesung ausschließlich für die Familie.
Schlafmangel, Lärm, die ständigen Baustellen, die Massai – es zehrt.
Die Aussicht auf die eine Nacht im Luxushotel fühlt sich fast wie eine Belohnung für unser Durchhalten an. Morgen also der Umzug – und hoffentlich endlich ein bisschen Ruhe.
Bussi Baba,
Kosanni
Kommentar hinzufügen
Kommentare