Tag 109: Radtour (Tag 2) Hsinchu - Taichung City

Veröffentlicht am 20. März 2025 um 13:12

Der Wecker klingelte um 6 Uhr, doch während Kosi noch tief und fest schlief, machte ich mich auf den Weg zum 7-Eleven, um Frühstück zu besorgen. Ich kam mit zwei warmen Ei-Toasts und einem Bagel für Kosi sowie einem Blueberry-Bagel, Joghurt und Kaffee für mich zurück. Das Frühstück wurde gemütlich im Bett verspeist, bevor wir alles zusammenpackten und die Räder wieder startklar machten.

Heute wollte ich es mit der Komoot-App versuchen. Gestern hatte ich eine Route geplant und sie auf meine Sportuhr übertragen, damit wir nur noch nach der Uhr fahren mussten – kein lästiges Handy-Navigieren mehr. Die Idee war gut, doch die Umsetzung hatte ihre Tücken. Sobald wir uns verfuhren, fand das Navi keinen alternativen Weg, sondern wollte uns strikt zurück auf die Originalroute schicken. Zudem war das Display der Uhr so klein, dass wir immer nur etwa 30 Meter der Strecke sehen konnten. Richtungsänderungen kamen also oft überraschend, was die Fahrt nicht unbedingt entspannter machte. 

 

Aber nun von Anfang an:

Um 7:33 Uhr starteten wir unsere Tour – mit der ersten Herausforderung: aus Hsinchu hinauszukommen. Die ersten acht Kilometer fühlten sich an wie eine nicht enden wollende Stop-and-Go-Tortur. Über 80 Ampeln bremsten uns aus und irgendwann gaben wir auf, sie zu zählen. Es war frustrierend, wenn man gerade Fahrt aufnahm und wenige Sekunden später schon wieder zum Stillstand gezwungen wurde.

Nach dieser zähen Anfangsphase erreichten wir den Crab Watching Boardwalk, von wo aus uns Radwegschilder die verbleibenden Kilometer anzeigten. Die nächsten 50 Kilometer sollten entlang des Meeres verlaufen – eine landschaftlich wunderschöne Strecke. Allerdings war die Beschilderung nicht gerade motivierend, da alle 500 Meter eine neue Angabe kam. Manchmal fühlte es sich eher so an, als würde der Weg nicht kürzer, sondern nur messbarer. Zudem waren die Schilder auf Chinesisch und das einzig Lesbare, waren die Zahlen…

Die Fahrt entlang der Küste war dennoch beeindruckend. Wir passierten verschiedene Brücken, fuhren durch Tunnel und kamen an Orten wie dem Longfeng Fishing Harbour, dem Houlong Cape of Good Hope und dem Taiyen Museum (The Way of Salt) vorbei. Doch eine Sache machte uns zu schaffen: der Wind. Erst Gegenwind, dann Seitenwind, dann kurz kein Wind – und dann begann das Spiel wieder von vorne. Das zusätzliche Gepäck machte es auch nicht einfacher. Wir merkten schnell, dass wir heute keine Zeit für viele Stopps haben würden, wenn wir halbwegs planmäßig ankommen wollten.

 

Zweimal legten wir dennoch eine Pause ein.

Der erste Stopp war unfreiwillig, denn unser Weg wurde plötzlich von einer Menschenmenge blockiert. Es wirkte wie ein kleiner Dorffesttag: Musik, Gesang, Sitzplätze, Essen und reichlich Dekoration. Wir blieben stehen und überlegten, wie es nun weitergehen sollte. Ein älterer Mann bemerkte unsere ratlosen Gesichter, kam auf uns zu und fragte: „Chinesisch okay?“ Tja, leider nicht. Also blieb uns nur Zeichensprache. Mit Händen und Füßen versuchten wir zu erklären, dass wir weiterfahren wollten, während er uns den möglichen Umweg deutete. Nach einigem Hin und Her verstanden wir, dass es eine alternative Route gab, also fuhren wir ein Stück zurück und versuchten unser Glück – und tatsächlich, es klappte.

Der zweite Stopp war geplanter: Wir kauften uns Proteinshakes, Kosi probierte eine einheimische Schokolade und ein isotonisches Getränk, während ich mir noch einen Kaffee und ein Snickers gönnte. Zufällig war an unserem Rastplatz gerade ein großes Menschenaufkommen. Vor einem buddhistischen Tempel hatten sich zahlreiche Einheimische versammelt. Auf einem großen Platz davor stand eine lange Tafel, an der Menschen abwechselnd etwas hinlegten oder wegnahmen. Wir versuchten, herauszufinden, worum es dabei ging, doch ohne Chinesischkenntnisse blieb es ein Rätsel. Unsere Vermutung: Die Menschen stellten Essen für Bedürftige bereit, die sich dort bedienen konnten. Falls jemand von euch Genaueres darüber weiß, gerne in den Kommentaren Bescheid geben!

 

Ab dem 60. Kilometer verließen wir die Küste und fuhren entlang der Straße in Richtung Qingshui District. Kosi scherzte: „Ich werde heute Nacht bestimmt von Brückenpfeilern träumen“, denn wir passierten mehr als 300 davon. Leider brachte uns diese Strecke auch wieder zu unserem größten Feind: den Ampeln. Besonders mit dem Rad, wenn man gerade eine angenehme Geschwindigkeit erreicht hatte, war es umso frustrierender, ständig abbremsen zu müssen.

Und gerade als ich dachte, dass die Fahrt ganz angenehm verlief, kam es anders als erwartet. Zwischen Kilometer 60 und 90 kamen wir zügig voran, der Wind ließ nach, unsere Motivation stieg – und dann sagte ich etwas, das ich lieber nicht hätte sagen sollen: „Heute ist es richtig angenehm zum Fahren. Wenn wir so weitermachen, sind wir noch vor 15 Uhr in der Unterkunft.“

 

Tja, verschrien. Ab Kilometer 90 führte uns die Strecke zum Taichung Metropolitan Park und hier begann das eigentliche Abenteuer. Vielleicht gibt es auch eine bessere Route dorthin, doch unser Navi hatte offenbar andere Pläne. Die nächsten 13 Kilometer bestanden fast ausschließlich aus steilen Anstiegen. Immer wieder freuten wir uns auf eine ersehnte Abfahrt – nur um an der nächsten Ampel sofort wieder zum Stillstand gezwungen zu werden. Insgesamt zeigte unsere Uhr (durch das ständige Auf und Ab) zurückgelegte Höhenmeter von über 3.000 Metern an. Und es schien, als wären wir die einzigen Radfahrer, die jemals diese Strecke genommen hatten.

Irgendwann kam der Punkt, an dem mein Knie nicht mehr mitmachte. Nach über 90 Kilometern und nun fast nur noch Steigung streikte mein Körper. Ich ließ das Rad fallen, legte mich direkt auf die Straße und blieb einfach liegen. Kosi sah mich kurz an, ließ dann ebenfalls sein Rad fallen und tat es mir nach. Auch er war mittlerweile k.o.. Wir waren einfach durch. Hinter jeder Kurve hatten wir gehofft, dass es endlich eben werden würde – und doch wurde es nur noch steiler.

Nach 15 Minuten Sammeln rissen wir uns wieder zusammen, denn wir mussten schließlich irgendwo ankommen. Nach 13 Kilometern Anstieg kam endlich die ersehnte Abfahrt – diesmal ohne Ampeln, allerdings auf einer Schotterstraße. Aber ganz ehrlich? Das war uns inzwischen egal.

Ich muss auch sagen: So eine Radtour ist eine echte Bewährungsprobe für die Ehe. Wenn beide hungrig oder durstig sind, ist es schon schwierig genug. Wenn beide gleichzeitig komplett erschöpft sind, ist es die wahre Herausforderung. Während Kosi sich in solchen Momenten mit schlechten Witzen und dummen Sprüchen ablenkt, werde ich still und fokussiere mich aufs Durchhalten. Naja, dass das nicht immer harmoniert, kann man sich vorstellen. Es kam mehrmals zu etwas lauteren Gesprächen, zu Augen verdrehen oder Kopfschütteln. Doch wir wissen beide, dass wir uns in solchen Situationen nicht allzu ernst nehmen dürfen. Und auf irgendjemanden muss man ja genervt sein, wenn sonst schon keiner da ist 🤣

 

Umso erleichterter waren wir, als wir den höchsten Punkt erreichten – und der Blick auf Taichung war atemberaubend. Endlich ein Moment der Entlohnung für die ganze Anstrengung.

Die restlichen Kilometer bis zur Unterkunft verliefen wieder durch die Stadt – also erneut Halt und Losfahren. An einer roten Ampel nutzte ich die Zeit, um mir schnell einen Apfel zu kaufen. Das Praktische an den meisten asiatischen Ampeln ist, dass sie die verbleibende Zeit herunterzählen. So kann man genau sehen, wie lange man noch warten muss – oder eben, ob man in der Zwischenzeit noch schnell einen Snack besorgen kann.

Laut Navi waren wir am Hotel angekommen, doch wir sahen nichts, das danach aussah. Kein Schild, kein Name, nur chinesische Schriftzeichen. Kosi versuchte, Passanten um Hilfe zu bitten, doch die meisten antworteten nur auf Chinesisch – nicht gerade hilfreich. Nach über 30 Minuten Umherirren fragte ich schließlich zwei Security-Männer. Diese googelten das Hotel für uns und zeigten uns den Weg. Endlich angekommen!

Zwar erst um 16:30 Uhr, aber angesichts der Strecke eine gute Leistung. Insgesamt waren wir 8 Stunden und 21 Minuten unterwegs, davon 6 Stunden und 36 Minuten in Bewegung. Wir legten 113,04 Kilometer zurück und spüren nun jedes einzelne davon in Beinen, Knie, Rücken und Nacken.

 

Der Abend? Im Hotel blieben wir nicht lange, Essen musste her. Während wir nach einem Restaurant suchten, passierten wir viele Bäckereien und ja was soll ich sagen - der erste Hunger musste gestillt werden, also gab es Donuts, Bagels, Marmelade - Blätterteil - Sachen und zwei undefinierbare mit schwarzen Füllung gefüllte Kuchen. Die Hauptspeise war dann aber doch etwas gesünder - was jedoch von einem Eis als Dessert wieder zu Nichte gemacht wurde.

Voll gegessen, beschloss ich, noch kurz in ein Massage - Studio zu gehen. Nach diesem Tag der perfekte Ausklang. Ich gönnte mir eine 40 Minuten Schulter/Nacken/Fuß Massagen. Kosi beschloss noch etwas herumzuspazieren.

Als ich schon wieder zurück im Zimmer und frisch geduscht war, kam Kosi kurz darauf mit einer Pizza und einem Nutella-Bananen-Crêpe zurück. Ich musste echt schmunzeln, denn eigentlich hätte ich damit rechnen müssen. Ein perfekter Abschluss eines anstrengenden Tages.

Jetzt noch die Route für morgen planen und dann ab ins Bett. Wir sind durch.

 

Bussi Baba,

Kosanni

 

PS: Zum Glück sind wir nicht mehr “frisch verliebt” - denn unser Hotel wäre nichts, für neue Pärchen 😂

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