




Endlich war es so weit – unsere Radtour begann! Vor ein paar Wochen war die Vorfreude noch riesig, aber nachdem wir die letzten Tage bei eisigen Temperaturen in Taipeh verbracht hatten, hielt sich die Euphorie jetzt doch ein wenig in Grenzen. Trotzdem war die Motivation groß genug, um aus dem warmen Bett zu kriechen, uns anzuziehen und uns ins Abenteuer zu stürzen. Und mit „anziehen“ meine ich: wirklich alles anziehen, was wir hatten. Lange Skiunterwäsche, dicke Socken, drei Schichten Oberteile plus Windjacke, Handschuhe und Stirnband – wir sahen aus, als würden wir eine Schneetourwanderung starten, nicht eine Radtour. Unsere Räder hatten wir am Abend zuvor bereits vollgepackt. Rucksäcke gab es keine mehr, stattdessen hatten wir jetzt zwei Seitentaschen pro Rad – das änderte leider nichts am Gewicht. Um 9 Uhr checkten wir aus dem Hotel aus, holten uns noch ein Frühstück am Straßenstand und fühlten uns bereit für den ersten Tag auf zwei Rädern.
Doch die erste Herausforderung ließ nicht lange auf sich warten: Wir hatten keine Handyhalterung fürs Rad. Das bedeutete, dass wir uns irgendwie aus Taipeh herausnavigieren mussten – mit einem Handy in der Hand oder ständigem Anhalten, um nach dem Weg zu schauen. Die ersten 50 Minuten bestanden also mehr aus Stop & Go als aus richtigem Radfahren. Gefühlt alle zehn Meter stand eine Ampel, an jeder Kreuzung mussten wir uns neu orientieren und zu allem Überfluss verfuhren wir uns auch noch mehrmals. Immer wieder hielten wir an, zückten das Offline-Navi, versuchten einen besseren Weg zu finden – nur um dann doch wieder falsch abzubiegen. Es dauerte ewig, bis wir endlich aus der Innenstadt raus waren und den offiziellen Radweg fanden. Tief durchatmen. Der Verkehr in Taipeh ist nämlich alles andere als entspannt – Mopeds rasen an einem vorbei, als wären sie gerade in einem „Fast & Furious“-Film und überall wird wild überholt. Wir waren also heilfroh, als wir endlich auf dem Radweg waren und uns nicht mehr um den Stadtverkehr kümmern mussten.
Der Radweg selbst war super ausgebaut – überall gab es Toiletten und Wasserspender, was das Fahren wirklich erleichterte. Nur ein kleines Problem: Die Schilder waren alle auf Chinesisch. Unser Wortschatz reichte leider nur für „Danke“ und „Bitte“, also blieb uns nichts anderes übrig, als weiterhin mit dem Handy zu navigieren.
Die ersten drei Stunden waren einfach nur eiskalt. Der Wind blies uns unaufhörlich ins Gesicht, während wir am Rücken durch die Anstrengung schon wieder schwitzten – nicht gerade die beste Kombination. 11 Grad zeigte das Thermometer an, aber mit dem Wind fühlte es sich deutlich kälter an. Und als wäre das nicht genug, verliefen die ersten 50 Kilometer fast nur bergauf. Gegenwind, das zusätzliche Gepäck und die Steigungen machten uns richtig zu schaffen. Die Beine wurden schwerer und schwerer und jeder Kilometer fühlte sich doppelt so lang an.
Und dann kam der größte Fehler des Tages. Wir standen an einer Abzweigung. Das Navi sagte rechts, aber die Straße nach links sah viel besser aus – also dachten wir uns: Warum nicht eine kleine Abkürzung nehmen? Spoiler: Es war die dümmste Entscheidung des Tages.
Zuerst war es nur ein sanfter Anstieg, dann wurde es steiler… und steiler… und noch steiler. Irgendwann ging Kosi vom Rad und schob. Ich wollte nicht aufgeben und versuchte noch ein paar Meter weiterzukommen – bis auch ich einsah, dass es keinen Sinn mehr hatte. Also schoben wir beide. Und als wir endlich dachten, es wäre geschafft, kam eine Absperrung.
Mit unseren voll beladenen Rädern standen wir vor einem Hindernis, das eindeutig signalisierte: „Hier geht’s nicht weiter.“ Perfekt. Zurückrollen lassen? Keine Option. Also mussten wir unsere schweren, vollgepackten Fahrräder mühsam darüberheben. Und als ob das nicht schon schlimm genug war, wurde der Weg danach noch steiler. Der Untergrund bestand aus Schotter und Waldboden und mit jeder Sekunde hasste ich diese „Abkürzung“ mehr. Anhalten war keine Möglichkeit, denn sobald man stehen blieb, zog das Rad einen einfach wieder nach unten. 30 Minuten langkämpften wir uns hoch, fluchend, keuchend, mit schmerzenden Armen und Beinen. Es war einfach nur anstrengend.
Dann kam Kosi auf eine geniale Idee: „Lass uns ein Rad zu zweit hochschieben!“ Ich hielt vorne fest, er hinten – und plötzlich ging es viel leichter. Warum sind wir nicht früher darauf gekommen?! Endlich oben angekommen, plötzlich Wetterumschwung: 17 Grad und Sonnenschein! Als hätte sich das Universum für unsere Qualen entschuldigen wollen.
Während der Fahrt machten wir nur zwei richtige Stopps – einmal für Wasser und Kekse, um eine kurze Pause einzulegen und einmal für zwei Proteinshakes, die uns zumindest ein wenig neue Energie gaben. Insgesamt legten wir 80,66 Kilometer zurück und waren 6 Stunden und 6 Minuten unterwegs. Davon verbrachten wir 4 Stunden und 49 Minuten in Bewegung – der Rest bestand aus unfreiwilligen Pausen an roten Ampeln oder Stopps, um mit dem Navi den richtigen Weg zu finden. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit hätte definitiv besser sein können, aber angesichts der vielen Stopps und des anstrengenden Streckenverlaufs war das Ergebnis mehr als in Ordnung.
Dafür entschädigte uns die Umgebung. Die Route führte uns vorbei an beeindruckenden Tempeln, großen Brücken, weitläufigen Staudämmen und grünen Landschaften. Immer wieder begegneten uns Mopedfahrer oder Fußgänger, die uns mit einem Lächeln zunickten oder den Daumen nach oben hielten – offenbar fanden sie es spannend, dass wir die Insel mit dem Rad erkundeten.
Ein unerwartetes Highlight gab es dann auch noch: meinen kleinen Unfall. Auf dem Radweg gab es immer wieder Absperrungen, die verhindern sollten, dass Motorräder hineinfahren. Eigentlich war der Sinn dieser Vorrichtungen klar – man sollte das Rad hindurchschieben. Ich jedoch dachte mir, dass es wohl auch fahrend klappen würde. Falsch gedacht. Der Lenker war zu breit, ich blieb abrupt hängen, es krachte, und im nächsten Moment lag ich am Boden. Kosi war nicht einmal überrascht. Sein Blick sagte mehr als tausend Worte: man sieht doch, dass man da nicht durchfahren kann, warum probierst du es überhaupt? Das Ergebnis war ein blauer Fleck, nicht weiter tragisch, aber eine Lektion fürs nächste Mal.
Gegen 15:30 Uhr erreichten wir endlich unser Hotel – müde, hungrig und durchgefroren. Die letzten Kilometer hatten sich gezogen und wir waren einfach nur froh, endlich angekommen zu sein. Noch glücklicher war ich allerdings über eine ganz besondere Überraschung: das Hotel hatte eine Badewanne. Nach einem Tag voller Kälte, Gegenwind und Anstrengung fühlte sich das wie der größte Luxus an. Doch bevor ich mich in mein wohlverdientes heißes Bad stürzen konnte, mussten wir uns erstmal um das Wesentliche kümmern: Essen.
Unser Viertel in Hsinchu wirkte wenig touristisch, und das machte die Suche nach einem Restaurant etwas schwieriger. Viele kleine Garküchen hatten keinerlei englische Beschriftung und die meisten Menschen sprachen kein Englisch. Also mussten wir uns mit Händen, Füßen und ein paar gelernten chinesischen Wörtern durchfragen. Nach einer kurzen Orientierungsrunde fanden wir ein kleines Restaurant, in dem man sich seine eigene Ramen-Suppe zusammenstellen konnte – perfekt! So wussten wir wenigstens, dass unsere Wahl auch wirklich vegetarisch war.
Die Suppe war ein Traum. Eine kräftige Tomatenbrühe mit Nudeln, Mais, Tempura, Ei, Chop Suey und Pilzen – genau das Richtige nach diesem kalten Tag. Doch damit nicht genug: Nach dem Essen gönnten wir uns noch etwas Süßes aus einer Bäckerei und ich holte mir einen Milkshake, um meine Zuckerspeicher wieder aufzufüllen.
Und dann war es endlich soweit – ich tauchte in die Badewanne ein. Das heiße Wasser ließ die Kälte aus den Knochen verschwinden und zum ersten Mal an diesem Tag konnte ich mich wirklich entspannen. Nach einer gefühlten Ewigkeit kroch ich schließlich ins Bett, während Kosi sich noch mit seinem Handy beschäftigte. Jetzt heißt es ausruhen und Kräfte sammeln, denn morgen geht es weiter. Mal sehen, welche Überraschungen der nächste Radtag für uns bereithält.
Bussi Baba,
Kosanni
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Kommentare
Hallo, ihr beiden Lieben,
Was für eine Radtour?!?! Da kann sich der Drauradweg verstecken 😂😅😂
Übrigens: gibt es im Internet keine Language- App Deutsch-Chinesisch? Werde morgen Li Min fragen, ob sie einen Vorschlag zur besseren Verständigung hat.
Ganz liebe Grüße und Bussi 😘🤗😘🤗
Danke für dein Kommentar.
Doch gib schon Apps aber dafür braucht man Internet und wir haben nicht überall ein Netz oder W-LAN. 😬
Also wir sind dankbar falls wer Ideen hat. Ansonsten probieren wir uns einfach weiter durch die Speisekarten ohne zu wissen, was es ist 😂
GLg kosi