Ich schreibe euch heute von einem ganz besonderen Ort – genauer gesagt, vom Weg nach Hoi An. Doch bevor ich euch von heutigen Abenteuern berichte, schulde ich euch noch einen kleinen Rückblick auf die vergangene Nacht. Denn was da passiert ist, wollt ihr wirklich nicht verpassen. Kosi und ich hatten beschlossen: Schluss mit dem Handy, jetzt wird erlebt, und vor allem genossen. Deshalb gibt’s heute den Nachtrag – und der hat es in sich.
Alles begann recht harmlos mit einem köstlichen Erdbeereisbecher - darüber seit ihr ja noch informiert. Gut gelaunt schlenderten wir durch die Walking Street, begleitet von lauten Beats, grellen Neonlichtern und… unzähligen Promotern. Und wenn ich „unzählige“ sage, dann meine ich das auch so: Teilweise standen zehn oder mehr Leute vor einem einzigen Lokal und versuchten, einen hereinzulocken – laut, aufdringlich und mit einer Ausdauer, die fast bewundernswert war. Manche stellten sich uns sogar direkt in den Weg, andere bedrängten uns von beiden Seiten. In einem besonders absurden Moment rannte ein Promoter sogar quer über die Straße, um seinen „Konkurrenten“ auszustechen. Von entspanntem Flanieren konnte also keine Rede sein.
Irgendwann fanden wir ein Lokal, das zumindest von außen etwas ruhiger wirkte. Kaum saßen wir, standen schon zwei Kellner direkt neben unserem Tisch – kaum einen halben Meter entfernt – und fixierten uns, während wir die Getränkekarte studierten. Kurz darauf gesellte sich noch ein dritter hinzu. Drei Kellner, drei starre Blicke, ein Gefühl wie unter Beobachtung – mir wurde das zu unangenehm, und wir beschlossen (ich fordere Kosi eher höflich dazu auf) weiterzuziehen. Die neue Regel lautete ab sofort: Wir wählen das Lokal nicht mehr nach Musik oder Angebot, sondern nach dem Grad der Aufdringlichkeit.
Schließlich fanden wir ein kleineres, versteckteres Plätzchen - zwischen zwei größeren Discos. Zwei Lemon Sodas, die UNO-Karten wurden ausgepackt – und ich holte mir einen knappen, aber verdienten Sieg mit 7:6. Revanche geglückt!
Kurz darauf stieß Tobias aus Karlsruhe zu uns – ein Freund von Kosi, den wir zufällig mitten in Ho-Chi-Minh wiedergetroffen hatten. Zu dritt genossen wir ein Getränk und beobachteten das bunte Treiben: schräge Gestalten, tanzende Menschen, leuchtende Busse voller Touristen mit hochgehaltenen Handys. Ja! Ganz viele Touristen, die einfach nur mit den Handys in der Hand durch die Straße spazierten und alles filmen!! Und dann noch ganz viele Mütter mit Neugeborenen, die Fächer, Zigaretten und Armbänder verkaufen, kleine Kinder, kaum älter als fünf, mit Warenkörben unterwegs – Szenen, die gleichzeitig faszinieren und schockieren.
Irgendwann lockte uns dann doch die Musik – wir ließen uns auf ein Bar-Angebot ein: Drei Bier zahlen, drei gratis dazu. Kein schlechter Deal. Draußen, im „Gastgarten“, umgeben von halbnackten Tänzerinnen und sogar zwei Tänzern (damit ich auch was zu sehen hatte) beobachteten wir weiter das Spektakel. Menschen strömten vorbei, filmten alles, als wäre die Straße ein einziges Schauspiel. Und irgendwie… war sie das auch.
Nachdem unsere Bier leer waren, bekamn wir leider kein weiteres Getränke Angebot mehr…
Dann kam Bar Nummer zwei – diesmal wollten wir hinein. Und was uns dort erwartete, war mehr Stripclub als Bar. Tänzerinnen in durchsichtigen Netzkleidern, nur zwei Sticker bedeckten das Nötigste. Sie tanzten lasziv – auf dem Boden, im Knien, im Stehen. Und rundherum: Männer mit Kameras, die alles in Nahaufnahme festhielten. Wirklich Nahaufnahme!!! Der beste Zoommodus wurde ausgepackt. Teilweise mussten sogar die Kellner eingreifen und das Filmen unterbinden.
Was ebenfalls auffiel: Überall schwarze Luftballons. Darin – Lachgas. Jeder inhalierte es: junge Touristinnen, ältere Männer, Partygänger.
Und statt Chips oder Nüssen gab’s hier Obstkörbe zum Drink. Ja, richtig gelesen. Obst. Hab ich so auch noch nie gesehen.
Neben uns stand ein besonders unangenehmer Tourist – laut, überheblich, respektlos. Ich konnte kaum fassen, wie herablassend er mit den Frauen dort sprach. Und wie toll er sich so fand. In solchen Momenten wird einem schmerzlich bewusst, wie viel Respekt und Gleichberechtigung man in der Heimat oft für selbstverständlich hält. Die Damen hier müssen wirklich einiges aushalten!
Doch die Nacht war noch nicht vorbei. In der nächsten Bar erlebten wir den wohl skurrilsten Moment des Abends: Ein älterer Herr – geschätzt über 60 und Inder– saß allein mit Shisha, Bier und Obstkorb in der ersten Reihe und genoss sichtlich jede Minute, in der die nackten Girls tanzten. Direkt hinter ihm: ein kleiner Junge, etwa sieben Jahre alt, der begeistert den Tänzerinnen zujubelte. Doch nein er war nicht allein. Oder glaubt ihr mit 7 Jahren geht man alleine in einen „Fast“ Stripclub? Er war natürlich begleitet von seiner elfjährigen Schwester.
Könnt ihr euch das vorstellen?
Als wäre das nicht schon verrückt genug, drückte der ältere Herr dem Jungen sogar Geld in die Hand, damit dieser es den Tänzerinnen überreichen konnte.
Spätestens da war für uns klar: Das reicht. Wir brauchten frische Luft – und ich etwas zu essen. Gegen halb eins verließen wir die Bar und holten uns eine Pizza. Auf dem Weg zurück begegneten wir noch Ladyboys, offensichtlichen Prostituierten, Kokainverkäufern – und wieder Müttern mit ihren Babys, mitten in der Nacht, im Neonlicht, umgeben von Musik und Partylärm.
Um halb zwei fielen wir mit unserer Pizza ins Bett – erschöpft, nachdenklich, aber auch voller Eindrücke. Es war ein wirklich spannender Abend mit Tobias, voller Absurditäten, Fremdscham und leider auch vieler Schattenseiten. Wir hoffen sehr, dass seine Weiterreise gut verläuft und wer weiß, vielleicht sieht man sich ja noch irgendwo.
Und so begann unser heutiger Tag...
Nach der ereignisreichen Nacht war frühes Aufstehen nicht gerade das, was wir uns gewünscht hatten – aber es musste sein. Zusammenpacken, letzte Sachen verstauen und dann, ganz sportlich, ein kurzer Abstecher ins Gym. Zugegeben, es war ein etwas älteres Fitnessstudio, aber für umgerechnet 1,20 Euro pro Person konnte man wirklich nicht meckern. Es tat gut, ein bisschen Bewegung zu haben, bevor der Reisetag so richtig losging.
Nach dem Training gab’s erstmal dringend benötigten Kaffee. Während Kosi sich ein klassisches Bánh Mì gönnte – vietnamesisches Baguette mit verschiedensten Füllungen – entschied ich mich für etwas Besonderes: einen Egg Coffee. Dieses Getränk ist eine echte vietnamesische Spezialität. Dabei wird starker, schwarzer Kaffee mit einer süßen, cremigen Schaumkrone aus geschlagenem Eigelb und Kondensmilch gekrönt. Klingt erstmal ungewöhnlich – aber schmeckt himmlisch! Der warme, kräftige Kaffee trifft auf fast schon dessertartige Süße, ein bisschen wie flüssiges Tiramisu mit Koffein-Kick. Oder wie Eierlikör 😉 Unbedingt probieren, falls ihr mal die Chance habt!
Dann, während wir gerade entspannt am Tisch saßen, kam die Nachricht, die unseren Tag komplett umkrempeln sollte: Die Abfahrtsstelle unseres Schlafbusses nach Hoi An wurde geändert. Ursprünglich hätten wir in nur 20 Gehminuten Entfernung einsteigen sollen – nun aber befand sich der neue Treffpunkt eine ganze Stunde außerhalb der Stadt und das mit Auto. Öffentliche Verkehrsmittel? Keine Chance mehr – es war schon zu spät… die Bussen brauchten 2 Stunden dorthin. Also blieb uns nichts anderes übrig, als ein Taxi zu nehmen.
Da der Bus um 14 Uhr losfahren sollte und man eine Stunde vorher da sein sollte, machten wir uns um Punkt 12 Uhr auf den Weg. Um 13 Uhr kamen wir an… mitten im Nirgendwo. Eine riesige Tankstelle, glühende Hitze, kein Schatten, kein Essen – nichts. Wirklich gar nichts. Und als wir gerade ausstiegen und uns umsahen, vibrierte mein Handy: Der Bus hat eine Stunde Verspätung. Wir sollten bitte warten.
Na gut. Plastikstühle wurden gefunden, UNO-Karten gezückt – aber unser kleines Improvisationsspiel endete nach nur fünf Minuten.
Ein Sicherheitsmann kam, erklärte uns mäßig freundlich und bestimmt, dass Sitzen hier nicht erlaubt sei. Also standen wir – in der prallen Sonne, bei gefühlten 40 Grad. Kosi zog kurzerhand sein Shirt aus, meins war schon komplett durchnässt. Perfekt für eine fast 20 Stunden Busfahrt… nasse Kleidung, Schweiß und stinken.
Essen? Fehlanzeige. Und von einem Bus? Keine Spur.
Um 15 Uhr fragte ich beim Busunternehmen nach, wo unser Bus bleiben würde– man bat mich um ein Foto vom Standort. Gesagt, getan. Die Antwort? „Bitte weiter warten.“
Langsam bekamen wir das Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmte. Die Kommunikation wurde immer merkwürdiger. Als es um 15:30 hieß, der Bus sei jetzt da, sahen wir uns verwirrt um – denn außer uns war dort niemand. Kein Bus, keine Menschen, nur Hitze und Verzweiflung. Ich schrieb zurück: „Hier ist niemand.“ Die Antwort: „Doch, Bus ist da. Bitte erkennbar machen.“ Ich: „Kein Bus da! Wir sind die einzigen Menschen hier!“ Sie: „Schick Beweisvideo.“ Also filmte ich, schickte das Video – Antwort: „Okay.“
„Okay?!“ Ich war so richtig genervt. Und Kosi sowieso… der war kaum noch ansprechbar 😜
Erst eine Stunde raus aus der Stadt schicken, dann drei Stunden warten lassen – und dann so eine Antwort? Wir glaubten schon, das war’s. Verarscht worden.
Mehrere Busse fuhren in der Zwischenzeit an uns vorbei, mit der Aufschrift „Hoi An“. Keiner hielt an. Wir standen da wie bestellt und nicht abgeholt.
Doch um 15:50 – nach fast drei Stunden Warten – passierte das Unfassbare: Ein Bus hielt tatsächlich. Zwei Männer sprangen heraus, wild gestikulierend: „Beeilung! Beeilung!“ Sie zeigten uns hastig alles, wir stiegen ein. Kosi bekam seine Schlafkabine auf der linken Seite, ich auf der rechten. Der Bus ist… okay. Kein Luxus, aber solide.
Jetzt liege ich hier in meiner Kabine, tippe diese Zeilen, habe einen Bärenhunger (an der Tankstelle gab es wie gesagt absolut nichts) und muss dringend aufs Klo – ob es eine Pause geben wird, weiß niemand. Denn keiner spricht auch nur ein Wort Englisch. Der Bus fährt jetzt knapp 20 Stunden nach Hoi An. Es bleibt also spannend.
Wir melden uns – hoffentlich gut ausgeschlafen – aus Hoi An.
Bussi Baba,
Kosanni
Kommentar hinzufügen
Kommentare