Gestern standen wir noch staunend vor dem „großen Boot“. Wobei – so groß war es eigentlich gar nicht. Eher ein solides Fischerboot, ganz aus Holz, mit viel Liebe und Handarbeit gefertigt. Wenn wir Rina richtig verstanden haben, würde eines der wirklich großen Boote um die 100.000 Euro kosten. Ob das wirklich stimmt? Fraglich – aber beeindruckend war es allemal. Allein der Bau dauert rund sechs Monate. Kaum vorstellbar, wie viel Arbeit, Zeit und Handwerkskunst in so einem Boot steckt.
Von dort aus spazierten wir weiter ins Fisherman’s Village. Ein kleines, einfaches Dorf, das ausschließlich vom Fischfang lebt. Es war fast surreal zu sehen, wie die Menschen hier in kleinen Hütten direkt am Sandstrand wohnen. Ohne Besitz, ohne Komfort – ihr Alltag besteht aus Sonne, Meer und dem, was die Natur ihnen schenkt. Sie leben vom Fisch, von den Hühnern, die sie selbst halten, und von dem, was sie selbst anbauen oder erjagen. Für uns kaum vorstellbar – ein Leben mit dem Nötigsten, aber auch eines mit absoluter Zufriedenheit.
Rina meinte irgendwann, wir sollten uns langsam auf den Rückweg zur Unterkunft machen – das Wasser würde bald steigen. Wir blickten uns etwas skeptisch um: alles war Sand, trocken, weitläufig. Wie hoch sollte das Wasser denn bitte steigen? Trotzdem machten wir uns mit ihm auf den Rückweg – und waren später mehr als froh darüber.
Zurück in der Unterkunft, machten wir uns kurz frisch. Als wir gegen 19 Uhr wieder loszogen, um etwas zu essen, verstanden wir endlich, was Rina meinte: der komplette Weg, den wir zuvor entlangspaziert waren, stand nun unter Wasser. Kein Sand mehr. Nur noch Meer. Die Natur hatte sich ihren Platz zurückgeholt – beeindruckend und beängstigend zugleich - wie schnell das doch ging.
Den Abend ließen wir dann ganz ruhig ausklingen – in unserer kleinen, winddurchlässigen Hütte, ohne Strom, ohne Internet, ohne TamTam. Die Wände bestanden aus Schilfgras – man konnte wirklich mit dem Finger durch die Ritzen nach draußen greifen. Und so kuschelten wir uns in der Nacht, nach einem Tag voller Sonne, ganz eng zusammen, um der Kälte zu trotzen. Vor wenigen Stunden noch Hitze – nun Frösteln unter zwei Decken. Der Kontrast war fast enorm.
Am nächsten Morgen (also heute) wurden wir vom Meckern der Ziegen und dem Gackern der Hühner geweckt – ländlicher geht’s kaum. Strom? Fehlanzeige. Warmwasser? Nur zwei Wasserkanister auf dem Dach, von der Sonne leicht temperiert. Wir hatten uns schon mit der erfrischenden Katzenwäsche abgefunden, als die Besitzerin mit einem Eimer kochendem Wasser auftauchte – so liebevoll. Allerdings so heiß, dass man darin locker Tee hätte kochen können. Also ließen wir das Duschen einfach bleiben.
Gegen 7:30 Uhr packten Kosi und ich unsere Rucksäcke ins Auto und spazierten durch den Sand Richtung Frühstück. Unterwegs entdeckten wir ein paar kleine Marktstände. Ich konnte natürlich nicht widerstehen und kaufte vier ofenwarme Süßkartoffeln – für unschlagbare 20 Cent. Dann fanden wir noch zwei Baguettes – schon ein paar Tage alt, aber Kosi brauchte einfach sein Brot. Ich gönnte mir noch zwei weiche Weckerl, sahen aus wie Milchbrötchen – perfekt als Jause.
Plötzlich entdeckten wir eine Szene, die uns noch lange in Erinnerung bleiben wird: eine Lieferung mit Secondhand-Kleidung war angekommen. Die Menschen stürzten sich förmlich darauf – als gäbe es nichts Wertvolleres. Für uns wären das alles Altkleider gewesen, teils zerrissen, abgetragen, kaum noch tragbar. Aber hier? Hier war es ein Geschenk. Ein kleines Stück Weihnachten. Ein seltener Moment des Glücks für die Einheimischen.
Während wir auf Tamara und Jul warteten, kam ein Junge mit einem selbstgebastelten Fußball zu uns. Kein echter Ball – sondern viele Müllsäcke, zusammengeknotet und mit einem Netz überzogen. Ein Meisterwerk der Improvisation. Kosi spielte mit ihm, und nach und nach kamen immer mehr Kinder dazu.
Als wir weiterziehen wollten, bat der Junge Kosi um sein Brot. Aber – wer Kosi kennt, weiß: sein Essen gibt er nicht her. Also drückte er dem Jungen 50 Cent in die Hand. Was bei uns wie wenig Geld wirkt, ist in dieser Welt sehr viel. Ein Lutscher kostet keine 5 Cent, ein Baguette je nach Größe zwischen 10 und 25 Cent. Der Junge konnte sich also selbst etwas aussuchen – und war der Held bei seinen Freunden.
Gemeinsam mit Tamara und Jul gingen wir dann endlich frühstücken. Tamara, Jul und ich hatten bereits am Vorabend Omelette bestellt – hier muss man das Frühstück nämlich einen Tag vorher reservieren, damit die Zutaten noch frisch besorgt werden können. Kosi hatte sich für das „große Frühstück“ entschieden – und war dann bitter enttäuscht, als nur ein Spiegelei auf dem Teller lag. Ich tauschte kurzerhand mein Omelette mit seinem Spiegelei – damit er auf seine Proteine kommt.
Da Rina uns gewarnt hatte, dass auf den nächsten sechs Stunden Fahrt nichts außer Straße auf uns wartet, baten wir die Gastgeberin um eine Jause für unterwegs. Sie war unglaublich hilfsbereit und bereitete uns liebevoll Baguettes mit Tomaten, Ei und Salat zu.
Für die Nacht in dieser Unterkunft zahlten wir gerade einmal 22 Euro pro Hütte. Und doch bekamen wir so viel mehr als nur ein Dach über dem Kopf: Herzlichkeit, Wärme, echtes Willkommen-Sein. Falls ihr je in diese Gegend kommt – geht dorthin. Es war einer der liebevollsten Orte, die wir bisher erleben durften.
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Um Punkt 9 Uhr ging’s weiter – wieder rein ins Auto, raus aus der kleinen, einfachen Idylle und weiter zur nächsten Ortschaft. Die Hoffnung, dass die Straßen vielleicht etwas besser werden, wurde wie so oft im Keim erstickt. Ganz im Gegenteil: Es wurde wieder holpriger, wilder, heftiger. Wir fuhren durch Flüsse, vorbei an Sanddünen, durch hohe Gräser und über unzählige Schlaglöcher und Erdhügel – gefühlt jeder zweite Meter war ein kleines Hupferl.
Irgendwann machten wir eine kleine Essenspause, um zumindest unser mitgebrachtes Baguette zu verspeisen – die Jause, die uns die liebe Gastgeberin am Morgen vorbereitet hatte. Es war zwar simpel, aber nach so einer Fahrt schmeckt selbst das trockenste Brot nach einem Festmahl.
Gegen 14 Uhr erreichten wir dann endlich unsere neue Unterkunft. Diese hatte nicht ich gebucht – sondern das Unternehmen, das unsere Tour organisiert. Denn: Auf Booking hatte ich in der ganzen Gegend schlichtweg nichtsgefunden. Und Rina erklärte uns kurz darauf auch warum – in dieser Ortschaft gibt es kein Hotel. Wir schlafen heute bei Bekannten von ihm. Für uns alle also eine Überraschung, was uns erwarten würde.
Angekommen wurden wir zwar herzlich begrüßt, aber gleichzeitig auch... ein bisschen überfordert. Noch bevor wir richtig aussteigen konnten, waren wir umringt von Kindern. Sie nahmen mich bei der Hand, tanzten um uns herum, lachten, schrien, sprangen – es war ein wahres Spektakel. Vor der Unterkunft versammelten sich immer mehr Menschen. Alle wollten einen Blick auf uns werfen – auf die „Besucher“.
Was mir persönlich jedoch wirklich zu schaffen macht – und was ich aus Asien so nicht kenne – ist dieses ständige und vor allem aufdringliche Betteln der Kinder. Gibt man einem Kind einen Lutscher, kommen zehn weitere angerannt und wollen mehr. Und wenn man dann nicht gleich reagiert, wird’s laut, wild und unangenehm. Manche Kinder stehen sogar direkt beim Auto, pressen die Nasen an die Scheiben, schauen hinein und zeigen wild auf Dinge, die sie gerne hätten – ob es Wasser, Snacks oder Kaugummi ist.
In Asien haben wir so etwas nie erlebt. Dort herrscht eher eine stille Zurückhaltung, oft sogar eine gewisse Schüchternheit. Hier hingegen fühlten wir uns fast wie Ausstellungsstücke – beobachtet und begafft. Ein seltsames Gefühl.
Unsere Unterkunft war schlicht – um es freundlich zu sagen. Ein einfaches Zimmer, ein einfaches Bett, keine großen Erwartungen. Dazu kam noch, dass wir die Unterkunft eigentlich nicht ohne Rina verlassen sollten, da bis 16 Uhr alles geschlossen war und er meinte, es sei sicherer, gemeinsam hinauszugehen.
Also blieben wir erstmal im Zimmer – warteten, tranken Wasser und versuchten, die Zeit irgendwie zu überbrücken. Doch irgendwann hielten wir es nicht mehr aus und gingen einfach alleine hinaus – neugierig, ob es wirklich so gefährlich sein sollte.
Und was soll ich sagen? Es war gar nichts los. Ein paar Kinder sprachen uns an, einige winkten – aber alles war harmlos. Kein Drama, kein Stress. Wir spazierten ein wenig durch den Ort, aber viel gab es nicht zu sehen. Eine wirklich winzige Ortschaft, ein paar kleine Stände, ein paar einfache Häuser – alles ruhig, bescheiden und irgendwie friedlich.
Um 18:30 Uhr gibt es dann Abendessen – nichts Besonderes, aber warm und sättigend. Danach lassen wir den Tag in aller Ruhe ausklingen.
Bussi Baba,
Kosanni
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