Heute begann unser Tag früh – um 7 Uhr saßen wir schon beim Frühstück. Anders als sonst, gönnten wir uns heute nur zwei Stück – die vier waren gestern doch ein bisschen zu viel. Kurz nach 8 Uhr machten wir uns dann auf den Weg Richtung Menabe. Eine lange, aber eindrucksvolle Fahrt stand bevor – insgesamt rund 470 Kilometer (auch wenn es sich oft wie doppelt so viel anfühlte, so wie die Straßen beschaffen sind...).
Unser erster Stopp war eine Apotheke. Unsere Schmerzmittel und Fiebersenker sind mittlerweile aufgebraucht – gerade auf so einer Reise will man nicht unvorbereitet sein. In der kleinen Apotheke wurden wir fündig, und es war faszinierend zu sehen, wie gut die Menschen hier mit wenig auskommen – sowohl Kunden als auch Personal.
Während der Fahrt fielen uns unzählige Details am Wegesrand auf. Kinder basteln sich hier aus allem Spielzeug: Ein paar Stelzen aus Holz. Ein selbstgebastelter Baseballschläger – ein Holzstab mit einer umgedrehten Plastikflasche daraufgeklebt. Kreativität pur. Und dann sahen wir tatsächlich einen Mann, der einen riesigen Tisch – bestimmt 2x1 Meter groß – umgedreht auf dem Kopf trug, als wäre es das Normalste der Welt. Szenen, die man sich nicht ausdenken kann.
Was uns besonders auffiel: Selbst in Gegenden, wo rundherum kilometerweit nichts ist, sahen wir Menschen und ganze Familien am Straßenrand spazieren. Barfuß, lachend, winkend – ein Gefühl wie aus einer anderen Zeit. Die Landschaft verändert sich hier gefühlt mit jedem Kilometer – von kargen Hochebenen zu saftigem Grün, dann wieder staubig und trocken. Und dazwischen: Kühe. Überall Kühe bzw Zebus. Und Kinder.
Ein Bild, das sich tief einprägt: Kinder, die in der heißen Mittagssonne versuchen, Schlaglöcher mit Erde zu füllen, und anschließend Geld verlangen. Es ist ihre eigene, improvisierte Arbeit, und gleichzeitig ein trauriges Zeichen für den Zustand der Infrastruktur hier.
Und dann sahen wir das überall am Straßenrand angebotene „Manjak“-Gemüse. Es handelt sich dabei um eine Art Süßkartoffel oder Wurzelgemüse – in manchen Regionen Madagaskars ein Grundnahrungsmittel. Es wird meist gekocht oder frittiert, ist sehr nahrhaft und relativ günstig – daher besonders bei den Menschen auf dem Land beliebt.
Während wir weiterfuhren, kamen uns Menschen auf alten Fahrrädern entgegen – 3 bis 4 Kanister darauf gestapelt. Sie fuhren durch die brütende Hitze, nur um Wasser für ihr Dorf zu holen. Eine Realität, die dem europäischen Alltag so fern ist, dass sie einen sprachlos macht.
Ein weiterer Stopp führte uns zu einer Goldsucher-Stelle. Kaum waren wir dort, sammelten sich Kinder um unser Auto. Sie blockierten fast die Tür – wir verteilten ein paar Süßigkeiten, aber schnell wurden es immer mehr, und wir mussten abbrechen, sonst wären wir nicht mehr weggekommen. Die Szene war herzzerreißend. Menschen – Männer, Frauen, Kinder – standen auf großen Steinen und schlugen mit Holzstöcken auf das Gestein, in der Hoffnung, ein wenig Gold zu finden. Der Boden glitzerte leicht. Reichtum liegt hier vielleicht in winzigsten Spuren – aber Armut ist überall.
Gegen 14:30 Uhr machten wir Pause zum Mittagessen. Und tatsächlich – mitten im Nirgendwo, wo kilometerweit kein Haus steht, tauchte plötzlich ein Restaurant auf, das sehr „touristisch“ wirkte. Wir vermuten, es wurde extra für Durchreisende gebaut. Die Kontraste zwischen den Umständen der Bevölkerung und den Bedürfnissen des Tourismus könnten kaum deutlicher sein.
Im Vergleich zu den letzten Tagen war die heutige Fahrt deutlich anstrengender, aber nicht weniger abenteuerlich. Morgens hatten wir 7 Grad, nachmittags dann 31 Grad – ein Temperaturunterschied, den man nicht nur spürt, sondern der einem bei offenem Fenster richtig entgegenschlägt. (Zumindest schlafen wir heute Nacht bei 21 Grad)
Unser Fahrer Rina musste unterwegs immer wieder aus dem Fenster sehen, um zu überprüfen, ob das Auto noch ganz war – so tief waren manche Bodenlöcher. Gurt gab's auf der Rückbank keinen – also hieß es: gut festhalten, wenn wir mal wieder durch die Luft geschleudert wurden.
Immer wieder begegneten wir Menschen, die in kleinen Wasserläufen badeten – nackt, lachend, winkend. Diese Momente waren so echt, so freundlich, dass sie tief berühren. Beim Sonnenuntergang glenzte die Landschaft in einem schönen Rot – wie eine Szene aus "König der Löwen", nur eben ohne Löwen. Die gibt’s hier nämlich nicht.
Und weil es kaum Tankstellen gibt, hatten wir zwei Benzinkanister im Kofferraum – sicher ist sicher.
Als wir Rina fragten, warum wir so schnell über die tiefen Schlaglöcher fahren, erklärte er uns, dass man diese am Abend nicht mehr sieht. Deshalb müsse man vor Einbruch der Dunkelheit das Hotel erreichen. Ironischerweise waren wir noch lange nach Sonnenuntergang unterwegs – und genau dann wurde es richtig gefährlich.
Die Straßen waren plötzlich stockfinster, ohne Beleuchtung. Menschen liefen am Straßenrand, spielten Kinder, Tiere kreuzten. Einmal stand ein Bus ohne Licht mitten auf der Straße – wir sahen ihn erst im letzten Moment. In einer Stadt blockierten Zebus plötzlich die Straße. Einige Autofahrer nutzten Taschenlampen als Lichtquelle – mehr hatten sie nicht.
Wir fuhren mit Warnblinkanlage und viel Gehupe, um uns bemerkbar zu machen. Mehrmals hatten wir beinahe Menschen oder Tiere angefahren. Was auffiel: Niemand hat hier ein Handy. Kein Licht, keine Displays. Stattdessen sahen wir in der Dunkelheit Feuerstellen, kleine Dörfer, Hütten wie aus Indianerfilmen. So ursprünglich, so real.
Eine Polizeikontrolle stoppte uns kurz – Papiere zeigen, weiterfahren. Kein Problem.
Um 19:30 Uhr erreichten wir schließlich unsere Unterkunft – völlig erschöpft von diesem langen, emotional dichten und teilweise anstrengenden Tag. Wir waren eindeutiig zu müde zum Essen. Doch da Rina nur Essen bekommt, wenn wir auch essen, gab ihm Kosi noch Geld, damit er sich selbst etwas holen konnte. Wir selbst verschwanden direkt unter die Dusche – und dann ins Bett.
Ein langer Tag geht zu Ende.
Bussi baba,
Kosanni
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